29. Januar 2020

Willkommen zur vierzehnten Ausgabe des Fernostwärts Newsletters! Nach dem Lesen des Newsletters solltet ihr über die wichtigsten Ereignisse der letzten zwei Wochen in Bezug auf China, Hongkong und Taiwan Bescheid wissen und für interessierte Leute mit Zeit gibt es Links zur weiteren Lektüre. Falls ihr diesen Newsletter lesenswert findet, leitet ihn gern an Freund*innen weiter! Feedback oder Fragen gerne per Mail oder auf Twitter. Falls ihr den Newsletter noch nicht regelmäßig bekommt:

Rückblick. So viel zum Thema ruhiges Frühlingsfest. Eigentlich wäre am Samstag in ganz China, Hongkong und Taiwan mit Feierlichkeiten und großen Festessen im Kreise der Familie das Jahr der Ratte eingeläutet worden. Doch besonders in Festlandchina warf der Ausbruch eines neuen Virus einen Schatten über die Feierlichkeiten – statt zu feiern blieben viele Leute zuhause und sagten gar Familienfeste ab, aus Angst vor einer Infektion. In Zentralchina leben mehrere Millionen Menschen in ganzen Städten, die unter Quarantäne stehen. Unabhängig davon, wie tödlich sich das neue Virus herausstellen wird, die Angst allein hat vielen Chines*innen ihr Neujahr ruiniert. Wir hoffen besonders für die Leute in Quarantäne, dass die chinesische Regierung die Situation bald unter Kontrolle bekommt. Und euch allen wünschen wir ein frohes Neues. 恭喜發財!

—Katharin & Nils

🇨🇳

Virus aus Wuhan. Bereits Ende Dezember wurde eine erste mysteriöse Lungeninfektion in Wuhan gemeldet, doch in den letzten zwei Wochen ist daraus eine handfeste Gesundheitskrise geworden. Wir wagen hier mal den Versuch eines Überblicks, auch wenn das Thema sich rasant weiterentwickelt (gerade hat British Airways alle Flugverbindungen von und nach China eingestellt.)

  • Zahlen und Fakten. Während ich das hier schreibe, sind in China offiziell fast 6000 Menschen infiziert und mehr als 130 Menschen gestorben (wobei letztere Zahl gerade pro Tag um bis zu 20 ansteigt). Das Virus hat seinen Ursprung vermutlich auf einem Tiermarkt in Wuhan, wo es von toten oder lebenden Tieren auf Menschen übergesprungen ist. Die chinesische Regierung hat mittlerweile offiziell bestätigt, dass es auch von Mensch zu Mensch und sogar bevor infizierte Personen überhaupt Symptome entwickeln übertragen werden kann (Korrektur: Letzteres ist nicht offiziell bestätigt). Um eine Todesrate zu berechnen, ist es zu früh. Sowohl SCMP, NPR und Vox haben gute faktenbasierte Übersichten zum neuen Virus mit mehr Details.
  • Quarantäne. Nach aktuellem Stand sind mehrere Städte in der Provinz Hubei, in der das Virus ursprünglich ausbrach, unter Quarantäne – insgesamt sind davon fast 50 Millionen Menschen betroffen. Das bedeutet, dass keine Flüge, Langstreckenbusse oder Züge mehr fahren und Personen, die mit ihren privaten Autos herumfahren, drohen Geldstrafen. Im ganzen Land wurde der Beginn des nächsten Semesters zunächst auf den 2. Februar verschoben, sodass viele Chines*innen sich gerade kreativ zuhause selbst beschäftigen. Ob die Quarantäne gesamter Städte die richtige Lösung ist und das Problem nicht nur verschlimmert, ist allerdings umstritten.
  • Regionale Inkompetenz. Eine gesamtheitliche Analyse der offiziellen Reaktion auf das Virus ist nur langfristig möglich, aber es gibt bereits harsche Kritik an der Regierung Wuhans, die Berichten zufolge versucht hat, Informationen zu dem neuen Virus im Dezember und bis Mitte Januar zu unterdrücken. Es fiel zum Beispiel auf, dass die offizielle Anzahl der Infizierten am 20. Januar plötzlich rapide anstieg – direkt nach dem Ende von zwei wichtigen politischen Treffen in Wuhan. Am Montag nahm der Bürgermeister von Wuhan, Zhou Xianwang, die Schuld dafür auf sich und bot seinen Rücktritt an. Gleichzeitig wurde in den letzten Tagen auch klar, dass es der Stadt an Ressourcen für den Krisenfall mangelt: Es fehlt Berichten zufolge an Krankenhausbetten, Ausrüstung für Ärzt*innen, Testmaterial für das neue Virus; Tote werden verbrannt ohne getestet zu werden; Patient*innen werden abgewiesen.
  • Informationskontrolle. Natürlich kontrolliert die chinesische Regierung auch im Bezug auf das Virus Informationen online. Neben Gerüchten und Falschinformationen werden auch erste Posts gelöscht, die die Regierung kritisieren. Zu Beginn der Epidemie wurden wohl auch Leute aktiv davon abgehalten, über das Virus zu berichten, obwohl Wissenschaftler*innen es bereits identifiziert hatten. Manche Analysen in westlichen Medien geben schon jetzt dieser Informationspolitik die Schuld an dem schnellen Ausbruch und viele Leute in China sind davon frustriert.

  • Bild: Präsident Jiang Zemin besucht während einer Flut die Provinz Hubei. Mindestens ein Weibo-Nutzer wurde für das Posten dieses Fotos gesperrt.
  • Besser oder schlechter als SARS? Ohne Verweis auf die SARS-Epidemie 2003 können wir nicht über das neue Corona-Virus reden. Damals hatte die chinesische Regierung durch ihre Informationspolitik – die Weigerung, offen Informationen zu teilen – maßgeblich die Bekämpfung von SARS erschwert. Letztendlich starben an der Lungenerkrankung fast 800 Personen. Die Frage ist nun: Hat die chinesische Regierung aus den Erfahrungen von 2003 gelernt? Immerhin gibt es Karten, auf denen man nachverfolgen kann, wie viele bestätigte Fälle, Todesfälle und geheilte Patient*innen vorliegen. Die Informationspolitik hat sich seit 2003 wohl etwas geändert. Es gibt auch chinesische Seiten mit Karten und Statistiken.
  • Angst und Diskriminierung. Einige Leute reagieren auf das Virus Berichten zufolge mit Diskriminierung gegenüber Leuten aus Wuhan oder gar der gesamten Provinz Hubei. In Teilen des Landes versuchen Leute Berichten zufolge auf eigene Faust, Außenseiter*innen aus ihren Wohnorten fernzuhalten. Im Ausland gibt es stattdessen immer wieder Geschichten von rassistischen Reaktionen gegenüber chinesischen oder einfach asiatisch aussehenden Menschen, weil Leute glauben, sie könnten krank sein (s. Comic der Zeichnerin Siyu Cao aus Paris). Es sollte selbstverständlich sein, dass das Rassismus und keine angemessene Reaktion auf das neue Virus ist.

Chinesischer Spion in Europa. Am 15. Januar durchsuchte Polizei in Deutschland und Belgien mehrere Wohnungen als Teil einer Ermittlung gegen einen ehemaligen deutschen EU-Diplomaten, der beschuldigt wird, politische und wirtschaftliche Informationen mit dem chinesischen Ministerium der Staatssicherheit geteilt zu haben.

Huawei darf in Großbritannien dabei sein. Die britische Regierung hat nach monatelangem Hin und Her entschieden, dass Huawei Ausrüstung für nicht-sicherheitskritische Komponenten seines 5G-Netzes liefern darf. Allerdings hat die Regierung auch eine Regel verhängt, die Huaweis Anteil am britischen 5G-Markt auf 35 Prozent begrenzen soll – vermutlich ein Verstoß gegen Regeln der Welthandelsorganisation. Langfristig möchte Großbritannien auf andere Anbieter umsteigen. Die Entscheidung für einen Kompromiss zugunsten von Huawei, trotz Drucks der USA, könnte ein Modell für andere europäische Länder wie Deutschland sein, wo die CDU im Dezember ein ähnliches Modell unterstützte.

Leben nach den Lagern. Die Lager in Xinjiang gibt es mittlerweile so lange, dass es erste Überlebende gibt, die ihr Leben nach Monaten oder Jahren in Zwangshaft irgendwie wieder unter Kontrolle bringen müssen. Viele von ihnen befinden sich unter Überwachung in China, doch eine junge Hui-Muslima, die in den USA studiert hatte, hat jetzt mit der Washington Post über ihre Erfahrungen gesprochen. Sie wurde vermutlich eingesperrt, weil sie in China den VPN ihrer amerikanischen Uni nutzte. Während sie eingesperrt war, stellte die amerikanische Uni ihrer Familie weiter Studiengebühren in Rechnung, sodass sie jetzt mit einem Riesenberg Schulden und einer ruinierten Kreditauskunft zurück in den USA ist. Andere Personen haben nach den Lageraufenthalten mit physischen oder psychischen Problemen zu kämpfen, aber sehr viele stecken immer noch spurenlos in ihnen fest.

Endlich ein Handelsabkommen! That’s it, that’s the news. Nach langem Hin und Her, monatelangem Handelskrieg und einer extralangen, einstündigen und ungeplanten Rede von Trump haben die USA und China den ersten Schritt ihres Handelsabkommens unterzeichnet.

Autos in der Verbotenen Stadt. Mit dem Wuhan-Virus in den Schlagzeilen wirkt es absurd, doch vor nur zwei Wochen war der größte Aufreger in China ein Foto von zwei Frauen, die mit einem Auto in die Verbotene Stadt in Beijing gefahren waren und in den sozialen Medien damit angaben. Das Foto stand stellvertretend für die Schere zwischen Arm, Reich und den Superreichen in China und löste entsprechend eine Welle der Empörung aus. Wie viel Privilegien und Geld muss eine Person haben, um einfach in die Verbotene Stadt fahren zu können, deren Zugang sonst strikt kontrolliert wird?

Interpol-Präsident wieder aufgetaucht. Ihr erinnert euch vielleicht, dass im Herbst 2018 der Präsident der internationalen Polizeibehörde Interpol, Meng Hongwei, plötzlich verschwand. Er ist chinesischer Staatsbürger und seine Frau meldete ihn bei der französischen Polizei als vermisst. Jetzt wurde Meng in China wegen Korruption zu 13,5 Jahren Haft verurteilt. Wie so oft ist es wahrscheinlich, dass das Verfahren eine Mischung aus berechtigt und politisch motiviert war.

Auslieferungsverfahren für Meng Wanzhou in Kanada. Nach ihrer dramatischen Festnahme in Kanada im Dezember 2018 wird jetzt in Kanada verhandelt, ob sie in die USA ausgeliefert werden soll. Meng, Finanzvorstand von Huawei und Tochter des Unternehmensgründers Ren Zhengfei, wurde auf einen Haftbefehl aus den USA hin festgenommen, demzufolge Huawei unter ihr Sanktionen gegen den Iran verletzt hatte. Nun ist die Frage, ob sie für eine Verhandlung in die USA ausgeliefert wird. Kanada hat seit der Festnahme mit Druck aus China zu kämpfen, u.a. werden dort seit Dezember 2018 zwei kanadische Staatsbürger festgehalten. Bizarr am Verfahren dieser Woche war, dass es mehrere kanadische Demonstrierende gab, die scheinbar für Meng Wanzhou und gegen eine Auslieferung demonstrierten. Letztendlich stellte sich heraus, dass sie bezahlt worden waren und nicht wirklich wussten, was für Schilder sie da gerade in die Kameras hielten: sie dachten, sie würden in einem Film mitspielen.

Was ist wirklich in Yancheng passiert? Das fragt sich eine chinesische Regierungsangestellte auch acht Jahre nach ihrem Interview für einen Job an der Umweltschutzbehörde immer noch. Ich empfehle ihren Essay über ihre Aufnahmeprüfung und den Umgang der Regierung mit Gerüchten oder Katastrophen (je nachdem, wen man fragt) in seiner Gesamtheit.

🇭🇰

Maßnahmen gegen die Virus-Epidemie in Hongkong.

  • Die Hongkonger Regierung wird bereits seit Tagen stark dafür kritisiert, keine Beschränkungen für Reisende aus China verhängt zu haben. Am 27. Januar gab sie nach und weist seitdem Reisende aus der Provinz Hubei ab. Am ersten Tag betraf das fast 400 Personen. In den letzten Tagen vor der Sperre sind also hunderte, wenn nicht gar tausende Personen aus Hubei unbehelligt über die Grenze gekommen.

https://twitter.com/lwcalex/status/1221847274885500928?s=19

  • Am Wochenende gab es Proteste an einem neugebauten öffentlichen Wohnprojekt, das als Quarantäne-Ort für mit dem Virus infizierte Menschen benutzt werden sollte. Anwohner*innen bauten Straßenblockaden und einige Demonstrierende warfen Molotovcocktails auf das Gebäude, da sie nicht wollen, dass Infizierte in ihrer Nachbarschaft leben.
  • Mehrere Gewerkschaften haben angekündigt, zu streiken, wenn die Hongkonger Regierung die Grenzen nach China nicht komplett schließen sollte. Besonders betroffen sind neu gegründete Gewerkschaften für Angestellte in Krankenhäusern, die in der letzten Woche per Lotterie Krankenhausabteilungen mit Infizierten zugeteilt wurden.
  • Erinnerungen an SARS sind auch in Hongkong noch lebendig, das nach Festlandchina am stärksten betroffen war. Was auch am damals absolut unterirdischen Umgang der chinesischen Regierung mit der Infektion lag. Entsprechend hoch ist aktuell das Misstrauen.

Persönlicher Bericht aus Hongkong. Normalerweise schreiben wir hier ja nicht mehr über einzelne Proteste, die nicht besonders groß waren, aber am 19. Januar war ich selbst gerade in Hongkong und wollte mir zumindest kurz eine genehmigte Veranstaltung im Chater Garden anschauen. Schon Stunden vorher wurden um den Park herum besonders junge Leute von Polizei in voller Montur durchsucht, um zu verhindern, dass Leute Ausrüstung mit in den Park bringen. Letztendlich verlief die Veranstaltung ziemlich entspannt: Leute standen rum und riefen Slogans und es gab eine Reihe von Reden. Doch innerhalb von fünf bis zehn Minuten schlug die Stimmung komplett um: die Polizei hatte einen Undercover-Polizisten an die Bühne geschickt, um die Veranstaltung drei Stunde vor Ende aufzulösen, weil es am Rande der Demo „Radikale“ gegeben habe.

Protest im Chater Garden in Hongkong am 19. Januar

Kurz darauf rückte die Polizei von allen Seiten an, jagte Leute durch die Straßen, und begann, Tränengas zu schießen und noch Stunden später in der Innenstadt Leute abzufangen und zu durchsuchen. Verdächtig war quasi jede junge Person mit Gesichtsmaske. Ich selber bin dem Tränengas nur haarscharf entkommen, obwohl ich mich direkt in Richtung Metro aufmachte, als es aussah, als würde die Polizei gleich versuchen, den Garten zu räumen. Während ich zur Station lief, hörte ich hinter mir Schreie, als weiteres Tränengas eingesetzt wurde. Dieses Erlebnis machte deutlich, wie unmöglich es ist, in Hongkong noch friedliche*r Demonstrant*in zu sein: Im Zweifel rückt die Polizei so schnell an, dass selbst Leute, die kein Interesse an Zusammenstößen mit der Staatsgewalt haben, keine Chance haben, Tränengas und Festnahmen zu entgehen. Auch die Hong Kong Free Press hat über den Protest und seine Auflösung berichtet.

Festgenommene im Limbo. Der Großteil der mittlerweile über 7.000 Festgenommenen der letzten Monate wartet immer noch auf den eigenen Prozessbeginn. Darunter auch der 21-jährige Student Derek Tai, der bei Reuters offen über seine Situation spricht. Durch die Massenverhaftungen kommt es zu enormen Verspätungen, sodass es bei 7.000 Festnahmen erst 1.092 Anklagen und 12 Verurteilungen gab. Bis alle Fälle verhandelt sind, befinden sich Betroffene in einer Art Schwebezustand, in dem viele sich von Protesten fernhalten, um eine weitere Festnahme zu vermeiden, und keinerlei Sicherheit über ihre Zukunft haben.

Hongkonger Polizei hackt Telefone. Im Dezember hatte die Hongkonger Regierung bestätigt, dass die Polizei mehr als 3.700 Telefone von Festgenommenen beschlagnahmt und durchsucht hatte. Mittlerweile gibt es den Verdacht, dass sie u.a. Software der israelischen Firma Cellebrite einsetzte, um Telefone zu hacken, deren Passwörter sie nicht kannte. Erwähnenswert sind auch die kreativen rechtlichen Konstrukte, mit denen die Polizei ihre Durchsuchungen rechtfertigt: Quartz berichtet, dass sie die Telefone in einem Raum im Polizeihauptquartier aufbewahrte und dann basierend auf einem Durchsuchungsbefehl für just diesen Raum des Polizeihauptquartiers durchsuchte.

Neujahrsmärkte als Protest. Wenig überraschend sind in Hongkong dieses Jahr auch die traditionellen Neujahrsmärkte politisiert. Nachdem die Regierung schon im November bekannt gegeben hatte, dass politische Produkte und Nachrichten auf offiziellen Neujahrsmärkten nicht willkommen sein würden, haben Demonstrierende dieses Jahr kurzerhand ihre eigenen Märkte organisiert. Manche fanden auf der Straße statt, andere in gemieteten Einkaufszentren. Für viele eine willkommene Gelegenheit, trotz der angespannten politischen Lage zu feiern, Spaß zu haben und vielleicht bei einem Klimmzug- oder anderen Wettbewerben einen Preis zu gewinnen.

Die gelbe Wirtschaft. Nach Monaten der Proteste und Tausenden von Festnahmen sind viele Demonstrierende in Hongkong ausgelaugt und haben oft gute Gründe, nicht mehr auf die Straße zu gehen – zum Beispiel eine Festnahme in ihrer Vergangenheit oder Kinder zuhause. Auch angesichts der anhaltenden Repressionen durch die Regierung versuchen besonders friedliche Demonstrierende, ihre Einstellungen durch andere Mittel auszudrücken. Das neueste Werkzeug hierfür ist der „gelbe Wirtschaftskreislauf“, bei dem Hongkonger*innen „gelbe“ Geschäfte, die die Proteste unterstützen, aufsuchen und „blaue“ Geschäfte, die aufseiten der Regierung stehen, boykottieren. Noch gibt es keine Statistiken zu den Auswirkungen dieser neuen Strategie, aber fast alle meine Freund*innen in Hongkong weigern sich mittlerweile, bei blauen Läden auch nur ein Getränk zu kaufen, während es bei vielen gelben Läden teils bis spät in die Nacht lange Schlangen gibt.

Sechs Monate nach Yuen Long. Die gewaltsame Attacke durch eine Gruppe von Gangstern in der Metro-Station in Yuen Long ist mittlerweile mehr als ein halbes Jahr her. Doch falls es überhaupt eine offizielle Untersuchung zu dieser Gewalt gegen Protestierende gibt, geht sie nur sehr langsam voran: Die Polizei scheint sich weder für Zeugenaussagen noch für Videoaufnahmen der vielen Überwachungskameras in Yuen Long zu interessieren. Die bisherige Untätigkeit der Polizei im Falle einer brutalen, live auf Facebook übertragenen Attacke verstärkt das bestehende Misstrauen und die Vermutung, dass die Polizei mit den Angreifern kollaborierte und die Attacke offen hinnahm, wenn nicht gar willkommen hieß.

🇹🇼

Taiwan und die WHO. Auch in Taiwan geht die Angst vor dem Corona-Virus um, doch der Inselstaat hat mit einem ganz besonderen Hindernis zu kämpfen: wegen seines obskuren Status als praktisch unabhängiger Staat, der nur von einer handvoll Inselstaaten und dem Vatikan anerkannt wird, ist Taiwan von zahlreichen internationalen Organisationen ausgeschlossen – darunter auch die Weltgesundheitsorganisation (WHO) und die International Civil Aviation Organization (ICAO). In beiden Organisationen arbeitete die chinesische Regierung seit Jahren konsequent gegen eine Aufnahme Taiwans, um die Taiwan spätestens seit SARS immer wieder bittet. Ohne Mitgliedschaft ist Taiwan von wichtigen internationalen Kooperationen bei der Bekämpfungen von weltweiten Epidemien ausgeschlossen. Hier eine Erinnerung an 2003.

Als Maßnahme gegen das Corona-Virus hat Taiwan außerdem entschieden, keine Reisenden aus der Provinz Hubei mehr einreisen zu lassen. Bisher gibt es in Taiwan erst drei Fälle, aber als ich vor wenigen Tagen aus Taipei abgeflogen bin, waren viele Leute dennoch nervös und trugen besonders am Flughafen fast ausnahmslos Gesichtsmasken, um sich vor möglichen Infektionen zu schützen.

Sitze im Legislativrat. Die taiwanesischen Wahlen scheinen schon wieder eine Ewigkeit her zu sein, doch in den letzten Tagen erschienen noch einige Analysen besonders zu den Ergebnissen im Legislativrat. Einen interessanten Überblick gibt es bei Ketagalan Media, die auch spannende Einzelpersonen wie die Cosplayerin Lai Pin-yu oder den Metal-Musiker Freddie Lim nochmal kurz vorstellen.

Chips aus Taiwan. Die Weihnachtsausgabe des Economist hat einen spannenden Text zum taiwanesischen Unternehmen TSMC, das weltweit einige der hochwertigsten Mikrochips herstellt und sowohl Apple als auch Huawei beliefert. Der Text beschreibt nicht nur die Geschichte und spannende politische Situation des Unternehmens in Zeiten der internationalen Handelskonflikte, sondern auch die technischen Details, die TSMCs Chips so besonders machen.

Neue taiwanesische Produktionen bei Netflix. Im Herbst 2019 hatte Variety über drei taiwanesische Netflix-Produktionen geschrieben, die mittlerweile alle online sind. Die Produktionen sind politisch interessant, da Taiwan ein guter Ort für die Produktion chinesischsprachiger Inhalte ohne die strengen Regeln der Behörden der Volksrepublik ist. So könnte Taiwan von seiner Position profitieren, während Streamingdienste wie Netflix Inhalte für den riesigen chinesischsprachigen Teil der Weltbevölkerung produzieren wollen. Etwas konkreter war ich außerdem gerade eine Woche krank und habe die gesamte erste Staffel von „The Ghost Bride“ gesehen, dass im Malacca des 19. Jahrhunderts spielt und die Geschichte einer starken jungen Frau erzählt, die einen verstorbenen jungen Mann heiraten soll. „Triad Princess“ und „Nowhere Man“ sind schon seit letztem Jahr online. Mir hat „Ghost Bride“ auf jeden Fall Spaß gemacht. Vielleicht gefällt ja auch euch eine der drei Serien? Falls ihr etwas Anspruchsvolleres möchtet, ist seit einigen Tagen auch der taiwanesische Film „A Sun“ (陽光普照) auf Netflix verfügbar, der letzten Herbst zwei Golden Horse-Preise gewonnen hat und sehr gut sein soll.

Essen in Taipei. Last but not least gibt es hier zwei Bookmarks für alle, die vielleicht irgendwann in Zukunft mal nach Taipei reisen wollen oder sowieso öfters dort sind: Tricky Taipei hat einen Guide für taiwanesische Rindernudelsuppe in Taipei veröffentlicht! Das Gericht ist ein absoluter Klassiker der taiwanesischen Küche und Tricky Taipei hat eine ausführliche Liste von kleinen Nachbarschaftsläden bis hin zu berühmten High-End-Restaurants zusammengetragen, die alle ihre eigene Version servieren. Mein persönlicher Favorit ist Liao Jia, aber quasi jede Person, die ich kenne, hat einen eigenen Favoriten. Leuten, die es nicht nach Taipei, aber nach Berlin schaffen, würde ich für eine erste Version dieses Klassikers das taiwanesisch geführte Beef House empfehlen. Für etwas mehr Varianz hat Tricky Taipei mittlerweile auch einen Guide zu japanischem Essen in Taipei und eine ganze Reihe anderer Empfehlungen, die vor einem Besuch einen Blick wert sind.


Danke!

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Wer sind wir? Dieser Newsletter ist Teil von Fernostwärts, dem besten und ältesten deutschsprachigen Asienpodcast. Fernostwärts besteht aus Katharin Tai und Nils Wieland. Wir produzieren unseren Podcast und diesen Newsletter, weil wir uns für das Zeitgeschehen in Ostasien interessieren und unser Wissen dazu teilen möchten. Nils studiert im Master Sinologie an der Uni Hamburg, Katharin promoviert am MIT zu chinesischer Außen- und Netzpolitik und arbeitet als freie Journalistin. Katharin schreibt den Newsletter, Nils macht das Lektorat.

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